Teil2, veröffentlicht (zunehmende Verlustängste und das kollektive Trauma des Westens)
Teil3, in Arbeit (von der kollektiven, riskanten Traumabewältigung des Westens)
Teil4, in Arbeit (der Ukrainekrieg, an dem alles sich letztendlich offenbarte)
Autor: Carsten Bluck

Anmerkung vorab
Um es vorwegzunehmen, ich pflege selbst zu denken, bekomme auch kein Geld aus dem Kreml und an all jene, die mich der russischen Propaganda zeihen, weil ich vermeintlich Argumente des Kremls wiederkäue, sie sollten sich mit meinen Argumenten auseinandersetzen und nicht ob ihrer Faulheit zu denken oder eines Unvermögens sich auf mich argumentativ einzulassen, mir ein Etikett, wie „Sprachrohr Putins“ oder „Putin Versteher“ aufkleben, in dem Glauben, meine Argumente entkräftet zu haben. Streit in einer Wissenschaft geht anders! Vielleicht liegt es daran, dass ich neben Politikwissenschaftler auch Physiker bin und Dogmen einer Ideologie nie sonderlich schätze und das Verunglimpfen von Abweichlern von diesen Dogmen auch nie als Meinungsstreit sah!

Der 24.02.2022 eine Zeitenwende oder eine Wende gegen die Zeit des Westens?
Etwas Ungeheuerliches war für den Westen am 24.02.22 mit der russischen Aggression in der Ukraine geschehen. Die von ihm, ob seiner bisherigen Macht nach 1990 geschaffene Weltordnung wurde von Russland offen in Frage gestellt. „Heute wird behauptet, seitdem (die Zeit von 1990 bis 2022 gemeint, der Autor) gäbe es eine neue „regelbasierte Ordnung der Welt“, die nur die Diktatur im Kreml mit seinem ohne Zweifel völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zerstört habe“.[1]

Somit stellt sich die Frage zum Ungeheuerlichem, zum Sinn dieses Krieges, den Russlands mit seiner Aggression unternahm. Nach Carl Clausewitz ist „Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ zu verstehen und zu einem Krieg gehören mindestens immer zwei Seiten, die ihre Interessen politisch nicht abgleichen konnten. Wenn dem so ist, gab es vorab eine Politik, die gescheitert war, sonst würde man ja keinen Krieg benötigen, um etwas zu korrigieren, was dann nur noch kriegerisch zu lösen ist.
Mit Clausewitz argumentiert, kann diese Aggression als Versuch Russlands gesehen werden, weil nicht gehört und akzeptiert, eine Teilhabe an der Gestaltung Europas kriegerisch zu erzwingen? „“..die durchaus berechtigte Fragen von Gorbatschow, Jelzin, Putin und Medwedew: „Welchen Platz bietet das Nach-Kalte-Kriegs-Europa eigentlich den Russen in dieser Nachkriegswelt an?“[2]

Russland stellt sich jetzt 2022 der Globalpolitik des Westens nicht mehr nur in Stellvertreterkriegen wie in Georgien (2008) oder Syrien (ab 2012) in den Weg, nein, es wagt die offene Konfrontation in Europa und zwingt den Westen nun für seine globalpolitischen Ziele einen für ihn selbst hochriskanten und vor allem die eigene gesellschaftliche Stabilität gefährdenden Stellvertreterkrieg in der Ukraine führen zu müssen!
Aus der Sicht des Westens, ob der Schwere dieser Herausforderung, war das nur als eine Zeitenwende zu empfinden, weil zu einer einseitig erzwungenen Weltordnung, mit der Handschrift des Westens, ohne Beteiligung Russlands, eine massive russische Gegenwehr erfolgt. Das war der Westen bis dahin so nicht gewohnt. Aber ist es deshalb auch eine Zeitenwende für die Menschheit, wie dies der friedliche Systemwechsel mit dem Untergang des Sozialismus in Europa darstellt? Ich denke NEIN und folge damit auch Frau Vollmer: „Zum Vergleich: 1990 gab es eine echte Zeitenwende, weil die bis dahin geltende Ordnung der Welt, die Teilung in zwei Blocksysteme, die sich mit gegenseitiger atomarer Bedrohung in Machtbalance hielten, auf erstaunlich gewaltfreie Weise aufgelöst wurde.“[3]

Also ist die russische Aggression in der Ukraine Anlass für eine Zeitenwende in der Welt? Nein. Der Ukrainekrieg hat eine Vorgeschichte, das Scheitern einer Globalpolitik des Westens, einer Globalpolitik unter Ausschluss eines der Global-Player und an ihm vorbei. Denn die Bedeutung Russlands in der Weltpolitik wollte keiner der Globalstrategen im Westen mehr wahrhaben, also wurde es ignoriert, links liegen gelassen. Um von einer Zeitenwende zu sprechen, braucht es mehr als nur diese beiden Konfliktparteien.

Im Verständnis von Clausewitz zu bleiben, sie begann mit der Unterlassung Russland in die neue Weltordnung des Westens nach 1990 ein zubinden und erfährt heute mit einer völkerrechtswidrige Aggression Russlands eine Antwort.
Russland und die Ukraine sind im Krieg, wobei die Ukraine einen Stellvertreterkrieg für den Westen führt. Es erübrigt sich in diesem Zusammenhang eines Stellvertreterkrieges auf die fast schon ruinöse Unterstützung seitens der USA für diesen Krieg (Staatsverschuldung der USA jetzt über 31.000 Milliarden Dollar) und andere Staaten des Westens zu verweisen.
Kurz gesagt die alte imperiale Politik des Westens, seine gelebte Hegemonie nach 1990, besonders seiner Führungsmacht der USA, erfährt gerade ein Korrektiv!
Es mag der Eigentümlichkeit der Politik entsprechen mit extraordinären Wortschöpfungen dem eigenen Volk etwas vermeintlich Besonderes zu einem besonders hohen Pries verkaufen zu wollen. Aber Begriffe wie „Zeitenwende“ entstammen eher der vermeintlichen Kreativität von Marketing-Leuten, denn Analysten der Globalpolitik.

Aber ist es nicht so, dass ein „Korrektivbemühen der bisherigen Globalpolitik des Westens“ nicht mehr nur auf Russland beschränkt ist, schon jetzt weitere Länder involviert sind?
Auch wenn uns Bürgern im Westen eingeredet wird, es ist das aggressive Russland und hier besonders der „irre“ Putin, der diese „Zeitenwende“ verursachte, ist dem wohl doch nicht so! Es ist, so denke ich anders, ganz simple. Die Globalpolitik des Westens nach 1990 ist, ob ihrer hegemonialen Ausrichtungen durch die USA einfach gescheitert und fordert jetzt den Widerstand derer heraus, die mittlerweile auch global handlungsfähig sind.
Die aufstrebenden Mächte (China, Indien, Brasilen, Südafrika und nicht zuletzt Russland) wehren sich zunehmend gegen eine Hegemonie des Westens. So war es in keiner Weise verwunderlich, auch wenn dies von unseren Politikern, Journalisten und Politikberatern so verbreitet wurde, dass ausgerechnet diese aufsteigenden Mächte, wie China, Indien, Brasilien oder Südafrika, die die Hälfte der Weltbevölkerung vertreten, sich an Sanktionen gegen Russland nicht beteiligen, wohl wissend, es könnte ihnen ebenso ergehen, wenn sie sich den Interessen des Westens entgegenstellen.
Diese aufsteigenden Mächte wollen einen Multilateralismus, arbeitsteilig die Welt gemeinsam auch trotz unterschiedlicher Werteauffassungen gestalten, was selbstredend bei unterschiedlichen Werteauffassungen sehr kompliziert und enorm herausfordernd sein wird im Rahmen eines zu leistenden Interessenausgleichs!

Aber hat die Menschheit angesichts des Klimawandels zur Minimierung jedweder Verluste eine vernünftige Alternative? NEIN!

Hingegen der Westen will den Multilateralismus von Ländern unterschiedlicher Werte nicht! Er will die Welt aus niederem, eigennützigem Interesse, dem des Machterhalts, nicht teilen, er sucht wie zu den Zeiten der Imperien von Rom und Karthago den Entscheidungskampf, um die ihm seit 1990 bis heute gewohnte Hegemonie zu behaupten. Damit arbeitet der Westen offen gegen das Hauptinteresse der Menschheit den Klimawandel noch ohne massive Verluste an Natur, Mensch und Gegenständen zu bewältigen, was er damit in Person zu verantworten hat, seine Politiker, Journalisten und Politikberater. Wer also die Welt unter diesen Umständen spaltet, die Elemente der Globalisierung als Waffe benutzt, um diese eigennützig zu zertrümmern, statt die Einheit der Welt gerade jetzt zu befördern der versündigt sich!

So gesehen, können wir doch von einer Zeitenwende sprechen, wenn auch nicht im Sinne von Kanzler Scholz, sondern in dem Sinne, dass sich ab jetzt zunehmend die aufsteigenden Mächte dem Hegemoniebestreben des Westens besonders seiner Führungsmacht den USA in den Weg stellen. In den Geschichtsbüchern könnte dann stehen, dieser Aufstand der aufsteigenden Mächte gegen das imperiale Verhalten des Westens begann mit der russischen Aggression in der Ukraine am 24.02.22.


Wie alles begann oder was der Westen sein Eigen nennen konnte
Besoffen von sich selbst, wegen des eigenen, vermeintlichen Hauptbeitrags, den der Westen am Untergang des Sozialismus 1990 in Europa geleistet hat, unterlag er, nur zu menschlich, einer auf Gier basierten Versuchung – alleiniger Gestalter auf dem Globus sein zu müssen. Denn ab 1990 schien ein Mitspieler auf dem Globus, gar ein Widerpart, wie zu Zeiten, des Kalten Krieges, als es noch zwei Supermächte, die USA und die Sowjetunion gab, mit ihren jeweiligen Vasallen, für alle weiteren Zeiten ausgeschlossen. „Mit dem Scheitern und dem Zusammenbruch der Sowjetunion stieg ein Land der westlichen Hemisphäre, nämlich die Vereinigten Staaten zur einzigen und im Grunde ersten wirklichen Weltmacht auf.“[4]

Der Westen mit seiner Führungsmacht, den USA, war nun das einzig verbliebene und wahre Imperium. (DIE EINZIGE WELTMACHT, Amerikas Strategie der Vorherrschaft)“[5]

Wie Nektar sogen die Studenten, die heute Politiker, Journalisten oder Politikberater in den Ländern des Westens sein sollten, solche Worte von Mitte 1990 des ehemaligen Beraters mehrerer US-Präsidenten (Carter, Reagan), Dozenten und Buchautors, von dem politischen Urgestein Zbigniew Brzezinski und anderen auf:
„Kurz, Amerika steht in den vier entscheidenden Domänen globaler Macht unangefochten da: seine weltweite Militärpräsenz hat nicht ihresgleichen, wirtschaftlich gesehen bleibt es die Lokomotive weltweiten Wachstums, selbst wenn Japan und Deutschland in einigen Bereichen eine Herausforderung darstellen mögen (wobei freilich keines der beiden Länder sich der anderen Merkmale einer Weltmacht erfreut); es hält seinen technologischen Vorsprung in den bahnbrechenden Innovationsbereichen, und seine Kultur findet trotz einiger Mißgriffe nach wie vor weltweit, vor allem bei der Jugend, unübertroffen Anklang. All das verleiht den Vereinigten Staaten von Amerika eine politische Schlagkraft, mit der es kein anderer Staat auch nur annähernd aufnehmen könnte. Das Zusammenspiel dieser vier Kriterien ist es, was Amerika zu der einzigen globalen Supermacht im umfassenden Sinne macht. „[6]
„Meinen Studenten – möge das Buch ihnen dabei helfen, die Welt von morgen zu gestalten.“[7]

Da waren sie nun, ihre Welt, sie gehörte ihnen und keiner konnte sie ihnen scheinbar nehmen! Sie, die ja fast schon personifiziert sich als einzig verbliebene Supermacht fühlten, all die Politiker, Journalisten und Politikberatern wähnten sich allmächtig. Sie brauchten nur noch nach ihrem Duktus und unter Berücksichtigung dessen, was sie von Zbigniew Brzezinski & Co.  erlernten, die Welt zu gestalten. Was sie auch taten!

Der Schulhof war groß, weit und breit kein gleichwertiger Schüler in Sicht, der ihnen auch nur annähernd gefährlich werden konnte, nur kleine Schüler, die sich leicht vermöbeln ließen, wenn sie nicht folgten.
Ab da hörten wir einen neuen Begriff, den der „asymmetrischen Kriegsführung“, doch die Notwendigkeit wieder einen symmetrischen Krieg führen zu können, ließ nicht lange auf sich warten!

Scheinbar ist der Westen noch nicht reif für einen Multilateralismus von Ländern unterschiedlicher Wertesystemen. Er ist unterentwickelt für eine Gesellschaft der Moderne, denn er hängt fest in der Auffassung von Karthago und Rom, wie Imperien zu erhalten und zu erweitern sind. Auf die Vernunft setze ich bei den derzeitigen Politikern, Journalisten und Politikberatern nicht mehr, denn sie brachten uns auf diesen Weg der Konfrontation zwischen Staaten mit unterschiedlichen Wertesystemen!
Es bedarf wohl wirklich erst einiger schwerer Lektionen und dabei rede ich nicht zuerst von denen der aufstrebenden Mächten, sondern von Lektionen, die Mutter Natur mit dem Klimawandel erteilen wird, was sinnvoll ist im Zusammenleben von Staaten und was nicht, was sich letztendlich die Menschheit überhaupt leisten kann!

 

Quellenangabe;
[1] Antje Vollmer, Gastbeitrag in der Berliner Zeitung vom 16.07.22
[2] Antje Vollmer, Gastbeitrag in der Berliner Zeitung vom 16.07.22
[3] Antje Vollmer, Gastbeitrag in der Berliner Zeitung vom 16.07.22
[4] S 16, Zbigniew Brzezinski, Titel: DIE EINZIGE WELTMACHT,
Amerikas Strategie der Vorherrschaft, Kapitel –Einleitung
[5] Buchtitel des Autors Zbigniew Brzezinski, Titel: „DIE EINZIGE WELTMACHT, Amerikas Strategie der
Vorherrschaft“, erschienen 1999 in Frankfurt am Main, im Fischer Taschenbuch Verlag.
[6]  S 42, Zbigniew Brzezinski, Titel: DIE EINZIGE WELTMACHT,
Amerikas Strategie der Vorherrschaft, Kapitel –Hegemonie neuen Typs
[7] Auf dem Einband zum Buch des Autors Zbigniew Brzezinski, Titel: DIE EINZIGE WELTMACHT,
Amerikas Strategie der Vorherrschaft

Published by Carsten Bluck

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